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Eine ausführliche Dokumentation zum Projekt finden Sie in unserer Ausgabe DETAIL 10/2015.
Zeichensprache: Cricoteka in Krakau
Cricoteka - Museum Tadeusz Kantor in Krakau © Wojciech Krynski
Der Neubau will sich offenbar nicht integrieren, er scheint sogar die Umgebung zu ignorieren. Der mit Cortenstahl verkleidete Baukörper ist auf zwei Türmen aufgesetzt und schwebt über dem denkmalgeschützten, ehemaligen Kraftwerk. Zusammen bilden sie eine Komposition, einen räumlichen Rahmen, der ein wichtiges Signal am Ufer der Weichsel setzt.
Architekten: Piotr Nawara, Agnieszka Szultk / nsMoonStudio & Stanislaw Denko / Wizja
Standort: ul. Nadwislanska, PL–Krakau
Architekten: Piotr Nawara, Agnieszka Szultk / nsMoonStudio & Stanislaw Denko / Wizja
Standort: ul. Nadwislanska, PL–Krakau
Seit einiger Zeit trägt Krakau den Titel »Kulturhauptstadt Polens«, wobei Wissenschaft, Kunst und Handwerk hier seit vielen Jahrhunderten tief verwurzelt sind. Das Bewusstsein der Stadtplaner um diese Rolle beeinflusst auch die neueste Entwicklung der Stadt und bestimmt die strategischen Ziele der neuen Flächennutzungspläne wichtiger Bereiche. Dazu zählt auch das ehemalige Industrieviertel Podgórze.
Der südlich der Weichsel gelegene Stadtteil spielt in der Geschichte von Krakau eine besondere Rolle. Einst eine unabhängige Freistadt, erlebte Podgórze mit dem hier 1944 eingerichteten Ghetto eine tragische Periode. Heute erfährt der Bezirk tiefgreifende Veränderungen, nicht zuletzt wegen der vielen lokalen Vereine, die Erinnerungen an die hier früher lebende jüdische Gemeinschaft wiederbeleben – somit auch an Tadeusz Kantor, dem wohl weltweit bekanntesten polnischen Künstler. Der Theaterregisseur, Maler, Bühnenbildner und Kunsttheoretiker gilt als wichtigster Vertreter des Absurden Theaters. Pünktlich zu seinem 100-jährigen Jubiläum eröffnet die Stadt die neue Cricoteka – ein Museum, das eigens für die Dokumentation der Werke Kantors erbaut wurde.
Der Neubau, Resultat aus dem 2009 ausgeschriebenen internationalen Wettbewerb, ist auf dem Gelände eines ehemaligen und denkmalgeschützten Kraftwerks entstanden. Der Entwurf gründet auf einer Zeichnung des Künstlers, bei der ein Mann unter einen Tisch kriecht – erläutern die Architekten Piotr Nawara, Agnieszka Szultk und Stanislaw Denko. Der neue Baukörper legt sich um und über die zweigeschossigen Backsteinbauten, deren Sanierung und Einbeziehung ebenfalls zur Wettbewerbsaufgabe gehörte. Dieses Motiv des »Einwickelns« bezieht sich direkt auf die Kunst von Kantor, der die Idee des Verpackens oft verwendete – als Versuch »die wahre Natur der Gegenstände zu erforschen« (Tadeusz Kantor).
Unter dem Namen Cricoteka gründete der Künstler selbst Anfang der 1980er Jahren ein Dokumentationszentrum, das eine doppelte Funktion erfüllte; zum einem als Sitz des 1955 von Kantor gegründeten Theaters »Cricot 2«, und als Theaterarchiv mit zahlreichen Bühnenobjekten, Requisiten und Skulpturen. Heute gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Cricoteka die Verbreitung des Werks von Tadeusz Kantor, sowohl im Bereich des Theaters als auch der bildenden Kunst.
Das Gebäude lässt sich mit einer Stahlbrücke vergleichen: Konstruktiv gesehen besteht der Neubau aus zwei sich durchdringenden räumlichen Stahlfachwerken die auf zwei, 20 Meter hohen Stahlbetonschächten ruhen. Das dritte Auflager bildet eine Stahlstütze. Aufgrund der Nähe zur Weichsel musste ein Teil der Fundamente der Bestandsbauten mit CFA-Pfählen (Bohrpfählen) verstärkt werden und die Dachkonstruktion zusätzliche Fachwerke erhalten.
Die Stahlbetontürme sind als Treppenaufgänge ausgeführt und leiten die Besucher in die Ausstellungsebene. In dem Bestandsgebäude sind ein Theatersaal, das Archiv mit einem Lesesaal sowie Büros, im Untergeschoss der Haupteingang mit Foyer untergebracht. Den Effekt der Dazugehörigkeit der Bestandsbauten verstärkt die mit Edelstahl verkleidete Untersicht des Neubaus, die den Backsteinbau spiegelt.
Der rund 12 Millionen Euro teure Kulturbau vermittelt in einer Dauerausstellung nicht nur einen Einblick in die Arbeit von Tadeusz Kantor, sondern bietet auch Raum zur Präsentation zeitgenössischer Kunst in wechselnden Ausstellungen. Zugleich gibt es in dem neuen Kulturzentrum einen Theaterraum für Workshops und Aufführungen, ein Bildungszentrum, Bibliothek, Buchhandlung und ein Café. Der rund 600 m² große Raum rund um das Museum bleibt offen und kann in eine Freilichtbühne mit Blick über den Fluss verwandelt werden. Der Neubau integriert sich bewusst nicht in die Umgebung und schafft eine neue architektonische Handschrift in dem von Aufbruch geprägten postindustriellen Stadtteil.
Eine ausführliche Dokumentation zum Projekt finden Sie in unserer Ausgabe DETAIL 10/2015.