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Was braucht der Werkstoff Putz in Zukunft?
WorkLab rendering/CODES Zukunft Putz in München (Foto; Bettina Sigmund)
Sich – inspiriert von über 300 Fotos, Strukturen und Details sowie einer Vielzahl experimenteller Materialmuster – mit der Zukunft von Stadt, Gebäude und Fassade auseinanderzusetzen war für die Teilnehmer der mobilen WorkLabs eine völlig neue Erfahrung. Dass Architekten in Bildern denken, ist bekannt. Jedoch nur angeregt durch bildhafte Ideen ganze Zukunftsszenarien zu entwickeln, war für viele eine neue Methodik. Umso erstaunter waren die teilnehmenden Architekten über die Einzelergebnisse und völlig unterschiedlichen Herangehensweisen. »Bei der Studie rendering/CODES arbeiten die Teilnehmenden im mobilen Labor, dem sogenannten WorkLab bildhafte Szenarien zur Fassade 2040 aus. Es werden so Codierungen zur Gebäudehülle, Architektur, Materialität, Oberfläche und spezifisch zum Putz der Zukunft ermittelt«, erläutert Prof. Markus Schlegel, der die Workshops leitete. Neben einer neuen Methode zur Generierung von Ideen und Entwurfsgedanken nahmen die Teilnehmer auch viele kreative Inspirationen für ihre tägliche Arbeit mit – so das Feedback.
Die Workshops sind Bestandteil der Forschungsstudie rendering/CODES, die von der Fachgruppe Putz & Dekor im Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie und der Gesellschaft für Handwerksmessen (GHM) mit der Messe Farbe, Ausbau und Fassade (FAF) angeregt wurde und durch das Institute International Trendscouting der Hochschule Hildesheim in Kooperation mit DETAIL research durchgeführt wird. In den WorkLabs wurden Studenten, Architekten, Innenarchitekten, Farbgestalter und Handwerker zu ihren Zukunftsvisionen für die Stadt, die Architektur und die Fassade im Jahr 2040 befragt. Dabei wurden zunächst die gesellschaftlichen, sozialen und technischen Veränderungen als Rahmenbedingungen eruiert sowie die Bedürfnisse der Menschen im Jahr 2040 diskutiert, um darauf aufbauend weitere Entscheidungen für Fassade und Oberfläche treffen zu können.
Immer wieder genannte Parameter waren dabei der Klimawandel und die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen, eine zunehmende urbane Verdichtung und daraus resultierend die steigende Bedeutung von städtischem Grün, ein starker Wunsch nach Individualität, die anhaltende Digitalisierung und eine Flucht in virtuelle Welten sowie große technische Fortschritte in Form von Automation, Robotik, Industrie 4.0 und 3D-Druck. Alle Teilnehmer waren sich einig, dass Nachhaltigkeit als wichtigste Voraussetzung feststeht. Interessant waren jedoch die Auslegungen und die Unterschiede der daraus entstandenen Zukunftsszenarien. Während pragmatische Stimmen für die nächsten 25 Jahre keine großen gestalterischen Veränderungen des Werkstoffs sehen – diese Position wurde besonders in der »Putzstadt« München häufig eingenommen – vertraten andere die Meinung, dass sich die Ästhetik der virtuellen Welt noch stärker auf die reale Welt übertragen wird. Einflüsse durch Digitalisierung, 3D-Druck und Bionik, um nur einige zu nennen, werden eine neue virtuelle Sinnlichkeit schaffen. Andere hingegen sahen Ästhetik und Ornamentik als reine Gestaltungsaufgaben des einzelnen Planers und nicht als Forschungsgegenstand für die Hersteller. Diese prognostizierten, dass sich der Werkstoff Putz zwar ästhetisch kaum verändert wird, jedoch technisch einen Mehrwert erhalten muss. Hier wurden beispielsweise Recyclingmaterialien als Zuschlagstoffe genannt, LEDs als Leuchtmittel, die Integration von Photovoltaik oder die Unterkonstruktion leitfähig zu einem Bestandteil eines Netzwerks zu machen. Passend zum Standort Frankfurt wurde dort der Vorschlag gemacht, Putzfassaden für Hochhäuser zu ermöglichen. Viele Teilnehmer sahen in dem Material Putz auch die Möglichkeit, durch Einfachheit und Reduktion etwas sehr Anspruchsvolles und Dauerhaftes entstehen zu lassen. Doch auch hier wünschen sich die Planer effiziente und ökologische Weiterentwicklungen – abseits der gängigen Kombination von Putz und Wärmedämmverbundsystem. Die Bandbreite der Forderungen reicht von intelligenten Lowtech-Ansätzen bis zu ökologischen Hightech-Systemen. Um nur einige der vielen Stimmen und Ideen anzureißen.
Die wissenschaftliche Auswertung der Ansätze sowie der Bildzusammenstellungen, Statements und Fragebögen läuft aktuell noch. Eine Ausstellung und Präsentation der Ergebnisse der Studie rendering/CODES ist 2019 auf der Messe FAF Farbe Ausbau und Fassade in Köln geplant. Das Highlight der diesjährigen Workshop-Reihe waren übrigens die beiden abschließenden WorkLabs in Frankfurt am Main. Marion Spanier-Hessenbruch, die als Projektleiterin bei der DomRömer GmbH den Wiederaufbau der Altstadt betreut, führte die beiden Gruppen in einer exklusiven Baustellenführung durch das Dom-Römer-Areal. Das Gelände, das sich aus 15 Rekonstruktionen und 20 Neubauten zusammensetzt, steht als Paradebeispiel sowohl für den modernen Einsatz des Materials Putz als auch die Fähigkeiten in der Anwendung historischer Handwerkskunst.