Lebenswerte Stadt: klimaresilient und gesund
Beispielhafte Sonnenstände in Kassel (Klimagerechte Landschaftsarchitektur, Henrik Laue / Patzer Verlag)
Ausstellung: Eine Stadt kühlt runter
In der Ausstellung »Eine Stadt kühlt runter - Gemeinsam für mehr Lebensqualität im Sommer« wird ab 6. August 2019 bis Ende September an verschiedenen Stadtorten in Erfurt erläutert, warum die Hitzewellen vor allem für Städte eine Herausforderung darstellen und was Städte und Bewohner tun können, um die Hitzebelastung zu verringern. Neben den Inhalte und Zielen des Forschungsprojekts HeatResilientCity werden verschiedene bürgerorientierte Maßnahmen zur Hitzeanpassung in unterschiedlichen Städten präsentiert, darunter Stadtgrün in Form von Parks, Fassaden- und Dachbegrünung als auch Wasserelemente, die eine kühlende Wirkung haben. Auch durch Maßnahmen am Gebäude, wie der Installation von Verschattungssystemen, kann die Hitze besser abgeschirmt werden. Zuletzt hilft auch eine Veränderung des eigenen Verhaltens mit einem Hitzesommer besser umzugehen. Bei allen vorgestellten Projekten steht die Beteiligung der betroffenen Menschen im Mittelpunkt. Durch Workshops, Nachbarschaftsprojekte, Schüleraktionen, ehrenamtliches Engagement sowie Kooperationen mit lokalen Unternehmen leisteten Bürger dazu Beiträge.
Das Forschungsprojekt HeatResilientCity (Hitzeresiliente Stadt- und Quartiersentwicklung in Großstädten am Beispiel von Dresden und Erfurt) läuft seit 2017 und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der „Leitinitiative Zukunftsstadt“ gefördert. Wissenschaftliche Partner sind das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung Dresden, das Institut für Stadtforschung, Planung und Kommunikation der Fachhochschule Erfurt (ISP), das Institut für Hydrologie und Meteorologie der Technischen Universität Dresden und die Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden. Mithilfe der Ausstellung möchte das Team über die Thematik Hitze informieren, aber auch das Engagement der Öffentlichkeit fördern.
Studie: Durch Grünflächen in Städten das Wohlbefinden fördern
Nicht nur bei sommerlicher Hitze ist die Nähe von Grünanlagen mit Bäumen, Sträuchern, Rasenflächen und Blumenbeeten angenehm. Warum das so ist, haben Forscher nun auch auf neuraler Ebene untersucht. Eine Studie, die Epidemiologie, Psychologie, Neuroimaging und Geoinformatik verbindet, belegt: Je höher der momentane Anteil an Grünflächen in der Umgebung der Stadtbewohner, desto größer war das Wohlbefinden. »Unser Methoden-Setup ermöglichte es, festzustellen, ob momentane innerstädtische Grünflächenexposition das Wohlbefinden der Probanden direkt verändert«, erläutert Markus Reichert vom Mental mHealth Lab am KIT, zusammen mit Dr. Urs Braun und Professorin Heike Tost vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit ZI einer der Erstautoren der Studie. Im Rahmen der Studie fanden mehrere Erhebungsphasen mit Probandengruppen statt, die mehrmals am Tag ihre Stimmung bewerten mussten. Über Sensordaten wurden die körperlichen Aktivitäten der Probanden ebenso erfasst wie Wetterdaten. Nach der Testphase wurden die Teilnehmer einer funktionellen Magnetresonanztomographie unterzogen, mittels derer sich bestimmte Hirnfunktionen darstellen lassen. Die Wissenschaftler konnten dadurch belegen, dass der Anteil an Grünflächen einen direkten Einfluss auf das Wohlbefinden hat. »Bei Menschen, die in ihrem Alltag besonders positiv auf Grünflächen reagierten, beobachteten die Forscher eine verminderte Aktivität im dorsolateralen präfrontalen Cortex. Diese Hirnregion übt eine zentrale Kontrollfunktion beim Verarbeiten negativer Emotionen und stressiger Umwelterfahrungen aus«, heißt es im Bericht. Und weiter schlussfolgern sie: »Die Ergebnisse der Studie sind für die Stadtplanung unter dem Aspekt der Gesundheitsförderung äußerst interessant. Entsprechend gut über eine Stadt verteilte Grünflächen könnten ein erhebliches Potenzial zur Prävention psychischer Erkrankungen entfalten.« Frühere Untersuchungen haben laut den Wissenschaftlern bereits gezeigt, dass in der Stadt aufgewachsene und gegenwärtig in der Stadt lebende Menschen anders auf Stress reagieren als Landbewohner und ein deutlich höheres Risiko haben, an Depressionen, Schizophrenie oder Angststörungen zu erkranken. Diese Feststellung wiegt umso schwerer, als die Urbanisierung rasch voranschreitet.
Publikation: Klimagerechte Landschaftsarchitektur
Klimagerecht zu planen und zu bauen ist auch eine Aufgabe der Landschaftsarchitektur – nur wer bedenkt, wie sich Sonne, Schatten, Wind und Regen auswirken, kann Orte mit dauerhaft hoher Lebensqualität schaffen. Den aktuellen Wissensstand zum Thema hat Professor Hendrik Laue von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe in dem kürzlich erschienenen Handbuch »Klimagerechte Landschaftsarchitektur – Handbuch zum Umgang mit Elementen und Faktoren des Klimas im Freiraum«, erschienen im Patzer Verlag, zusammengefasst.
Ausgangsbasis für die Entwicklung des Leitfadens waren dabei zwei Aspekte: Zum einen bedauert Laue, dass altes Wissen klimagerecht zu bauen in Architektur und Landschaftsarchitektur in Vergessenheit geraten zu scheint und dass es zu wenig Austausch zwischen den Disziplinen gäbe, im speziellen zwischen Planern und Meteorologen. Das Wissen, wie man sinnvoll mit dem Klima umgeht, wäre bei den Klimatologen und Meteorologen vorhanden, aber es käme nicht bei den Planern an, erklärt Laue. »Ich selbst sehe mich als Übersetzer zwischen Umweltmeteorologen und Stadtklimatologen sowie Landschaftsarchitekten und Architekten. In der Klimatologie bzw. Stadtklimatologie existiert ein umfassendes Wissen mit zahlreichen Forschungsprojekten zu dem Thema. Nur ist dieses Wissen oft den Entscheidern nicht bekannt. Dabei ist auch der Umgang mit Klima nicht neu. Historische Städte oder historische Gartenanlagen zeigen in der Regel immer eine Anpassungsstrategie an das Klima und an den Ort. Dieses Wissen ist offensichtlich durch die Spezialisierungen und Professionalisierung der Berufsstände verloren gegangen.«
Besonders viel Gestaltungsspielraum sieht der Autor in Städten – und gerade dort ist auch der Bedarf an klimagerecht gestalteten Flächen sehr hoch. Laue schlüsselt auf, wie Planer mit messbaren Größen umgehen können wie Strahlung, Lufttemperatur, Luftfeuchte, Wind oder Niederschlag. Und er zeigt, wie Landschaftsarchitekten die Gegebenheiten einbeziehen sollten, die das Klima beeinflussen, darunter geographische Breite, Topographie, Kontinentalität, Bodenoberflächen, Jahres- und Tageszeiten und die Bebauung. »Der sensible Umgang mit Vegetation, Boden und Materialien kann erheblich dazu beitragen, klimatisch ungünstige Bedingungen abzupuffern«, betont Laue. Das Handbuch richtet sich an Studierende, aber auch alle Berufstätigen in Landschaftsarchitektur und -bau. Denn: »Die Generalisten fehlen, die das Wissen zusammenführen. (...) Die klimagerechte Gestaltung ist bundesweit im Studium in den vergangenen Jahren aus dem Lehrplan gefallen. Mein Ziel war es, dieses Wissen wieder aufzubereiten und es Architekten und Landschaftsarchitekten mit ihren eigenen Ausdrucksmitteln zu vermitteln, das heißt mit Grafiken und Zeichnungen anstatt in Form von Statistiken und Tabellen. Auch Planer sollten lernen, gerade auch im Hinblick der sich verschärfenden äußeren Bedingungen, das Klima zu verstehen und im kleinräumlichen Handlungsfeld der Objektplanung die richtigen Entscheidungen zu fällen, um das jeweilige Mikroklima zu verbessern.«