Architektur statt Antibiotika
Foto: IIKE / Tom Bauer 2020
Wissenschaftler an der TU Braunschweig haben im Rahmen eines Forschungsprojektes untersucht, ob als Reaktion auf das vermehrte Auftreten von multiresistenten Erregern in Deutschland Zweibettzimmer in Krankenhäusern so gebaut werden können, dass sie auch im Sinne der Infektionsprävention eine Alternative zu Einbettzimmern darstellen. Dazu hat ein Architekten-Team der TU Braunschweig ein infektionssicheres Zweibettzimmer inklusive getrennter Nasszellen entworfen und als Prototyp realisiert.
Welche Bakterien leben auf den Oberflächen in Patientenzimmern? Kann eine neue Raumplanung Infektionen in Kliniken verhindern? Damit beschäftigten sich Architekten der Technischen Universität Braunschweig zusammen mit Molekularbiologen sowie Medizinern im Projekt KARMIN („Krankenhaus, Architektur, Mikrobiom und Infektion“). Gemeinsam mit einem bayerischen Unternehmenspartner entwickelten die Projektpartner einen Prototyp für ein neuartiges infektionspräventives Patientenzimmer. Der Demonstrator für ein optimiertes Patientenzimmer wird im Oktober 2020 beim „WorldHealth Summit“ in Berlin präsentiert.
Neben der TU Braunschweig gehören die Charité Universitätsmedizin Berlin, das Universitätsklinikum Jena und die Röhl GmbH Blechbearbeitung aus Waldbüttelbrunn zu den Verbundpartnern. Darüber hinaus unterstützen 17 Industriepartner das Projekt.
Krankenhausinfektionen und multiresistente Erreger, gegen die keine Antibiotika mehr helfen, sind in Kliniken immer häufiger ein Problem. Insbesondere in Mehrbettzimmern können Bakterien schnell übertragen und zu einer akuten Gefahr für die Patienten werden. Deshalb wird bislang gefordert, mit multiresistenten Erregern infizierte Patienten in Einzelzimmern zu isolieren. Doch die ausschließliche Nutzung von Einbettzimmern ist mit mehreren Nachteilen und höheren Kosten verbunden. Der Demonstrator soll eine Antwort geben, welchen Einfluss die Architektur eines Krankenhauses auf die Hygiene hat und ob das Zweibettzimmer ausreichend infektionssicher für die Patienten ist. Wolfgang Sunder vom Institut für Industriebau und Konstruktives Entwerfen der TU Braunschweig und Projektleiter von Karmin ist der festen Überzeugung, dass Architektur und Design einen wichtigen Beitrag zur Hygiene im Krankenhaus leisten kann, wenn baulicher Infektionsschutz bei der Planung und dem Betrieb von Krankenhäusern berücksichtigt wird. So plädiert Sunder für zwei getrennte Bäder in Zweibettzimmern, um mehr Hygiene zu gewährleisten. Die Mehrkosten ließen sich mit den wegfallenden Kosten für die Behandlung der Infektionen gegenrechnen. Darüber hinaus habe die Studie gezeigt, dass man statt auf antimikrobielle Materialien besser auf leicht zu reinigende Oberflächen setzen solle, da antimikrobielle Materialien auch nützliche Mikroorganismen abtöten. Zwei der Industriepartner des Forschungsprojektes sind Schüco und Nora. So kamen beim „Patientenzimmer der Zukunft“ Aluminiumfenster der Serie AWS 75 BS.HI+ zum Einsatz. Während ein Element als Drehfenster mit per Griff entkoppeltem Öffnungsbegrenzer ausgeführt wurde, ist das zweite Fenster als „Kipp-vor-Dreh“ mit Komfortkomponenten für reduzierte Bedienkräfte ausgestattet.
Im Demonstrator wurde der Kautschuk-Bodenbelag Noraplan sentica verlegt. Aufgrund ihrer extrem dichten Oberfläche müssen Nora-Böden nach Unternehmensangaben im Gegensatz zu anderen elastischen Bodenbelägen nicht beschichtet werden, so dass ein Absperren von Bereichen während der Zeit der Reigung und Desinfektion entfällt und ein „Rund um die Uhr“-Betrieb gewährleistet ist.