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Ideeller Kontext oder Camillo Sitte? Berliner Museumsstreit trifft Kulturforum
Mit der unter anderem im Berliner Tagesspiegel veröffentlichten Überarbeitung seines rund zehn Jahre alten städtebaulichen Gutachtens für das Kulturforum stößt Stephan Braunfels in das Vakuum, das die Präsentation der unbefriedigenden Machbarkeitsstudie des BBR für ein Museum der Moderne hinter der Neuen Nationalgalerie hinterlassen hat. Damit bringt er sich nicht nur erneut als Masterplaner von Berlins umstrittenster Stadtbrache ins Spiel, er findet auch gleich eine Form für den Neubau des Museums.
Das Kulturforum an der Potsdamer Straße in Berlin gehört ohne Zweifel zu den offenen Wunden der Stadt: Zwischen zwei Ikonen der Nachkriegsmoderne – Scharouns Philharmonie und Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie – verliert sich der umgebende Stadtraum in der zugigen Weite eines Restraumes und der am Potsdamer Platz unmotiviert Richtung Leipziger Straße abknickenden Potsdamer Straße. Von Stimmann bis Lüscher arbeiteten sich die Senatsbaudirektoren daran ab – je nach Haltung mit hartem Planwerk oder zarten Eingriffen. Dem BDA Berlin war dieser „Ort gescheiterter Utopien“ im Jahr 2010 ein eigenes diskursives Format wert: Auf seine Initiative hin entwickelten Berliner Architekten auf der Basis der „Serviettenskizze“ zahlreiche Ideen zur Neugestaltung des Forums.
Damals nicht dabei war Stephan Braunfels, dessen 2003/2004 für den Berliner Senat erstelltes städtebauliches Gutachten nun in einer neuen Version den Weg in die Öffentlichkeit sucht. Braunfels reagiert damit auf die Machbarkeitsstudie zu den künftigen Standorten der Alten Meister sowie des neuen „Museums der Moderne", die das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung BBR vor einigen Wochen vorgestellt hatte. Darin hatte sich Berlin von der Idee eines „Museums der Moderne“ in der ersten Reihe des Kulturforums – nämlich auf eben jenem freien Grundstück zwischen Kammermusiksaal, Philharmonie und Neuer Nationalgalerie entlang der Potsdamer Straße – verabschiedet. Stattdessen soll der Neubau nun hinter der Neuen Nationalgalerie an der Stülerstraße entstehen; die „Alten Meister“ bleiben in der Gemäldegalerie und ziehen nicht auf die Museumsinsel – wie zwischenzeitlich im "Berliner Museumsstreit" heftig diskutiert.
Braunfels bringt nun mit seinem Entwurf wieder den ursprünglich favorisierten Standort des „Museums der Moderne“ ins Spiel, indem er hier eine große Treppenanlage – „analog zu den Gärten in Sansscouci“ (Tagesspiegel) oder Scharouns Gästehaus – vorschlägt, unter der Platz für ein unterirdisches Museum wäre. Gleichzeitig würde so der Blick auf den Sockel des Mies-Baus nicht verstellt. Die rückwärtige Kante von Braunfels' Treppenanlage böte dabei ein Gegenüber zur Bebauung hinter der Matthäikirche, die dadurch in einen neuen Platz eingebettet würde. Auf der gegenüber liegenden Seite schreibt Braunfels die Randbebauung in einem weiten Mäander fort. Auf die Spitze getrieben wird das so entstehende „Piazetta-Motiv“ noch mit einem Campanile auf dem neuen Platz, – Blickfang der Sichtachse von der Leipziger Straße aus. Dies war bereits Bestandteil seines ursprünglichen Konzepts. Gleiches gilt für einen Kreisverkehr auf dem Knick an der Potsdamer Straße, der als „Gelenk“ dem Aufeinandertreffen der beiden großen Sichtachsen an dieser Stelle Rechnung trägt. Kleine Bauten sollen den hier geplanten runden Schmuckplatz weiter fassen. Neben der Treppenanlage sind sie in ihrer formalen Gestaltung eine Referenz an Hans Scharoun, dessen Idee einer "offenen Stadtlandschaft" Braunfels mit seinen Camillo Sitte zitierenden Stadtbausteinen ergänzt.
Braunfels' Entwurf hat durchaus suggestive Kraft, auch die Idee einer "Drehscheibe" an den Hauptachsen erscheint sinnfällig. Und das Bild, Schinkels "Spree-Athen" auf der Museumsinsel im Westen der Stadt ein "Kleines Italien der Kunst" als Pendant gegenüber zu stellen, lässt sich wunderbar in die Antike-verliebte, „humanistische“ Tradition der Stadt stellen. Doch: Darf man die Frage stellen, ob es wirklich notwendig ist, mit dem Auto auch an dieser Stelle mit 50 Sachen durch die Innenstadt zu rauschen – wenn man nicht sowieso gerade im Stau steht? Kaum eine europäische Metropole leistet sich diesen vermeintlichen Luxus noch. Und es gibt längst städtebauliche Konzepte, die Mobilität und Urbanität auf intelligente Weise vereinen. Auch das Diskussionsforum des BDA Berlin vor drei Jahren war voll davon – vom Shared Space über urbane Parks bis zum skulpierten Boden.
(Cordula Vielhauer)
(Cordula Vielhauer)