01.06.2017 Chiara Rusticalli

Holz ist ein Versprechen

Foto: Hermann Kaufmann Architekten und Florian Nagler Architekten

Sie kommen aus einer Schreinerfamilie. Wie hat sich das auf Ihre Arbeit als Architekt ausgewirkt?

Es hat meine Arbeit nachhaltig beeinflusst, weil Holz Teil meiner Kindheit war. Die Holzwerkstatt befand sich bei uns im Haus und meine Brüder und ich hatten Gelegenheit, unserem Vater bei der Arbeit zuzusehen. Als ich sechs oder sieben Jahre alt war, half ich ihnen manchmal. Dieser Kontext war aus zwei Gründen sehr wichtig: Wir lernten viel über Materialien, und wir begeisterten uns für Bauten und handwerkliches Können. Zugleich bekamen wir eine Vorstellung davon, warum wir leben: Wir können nützlich sein, wir können etwas ausrichten, wir können jemandem helfen. Natürlich begeistert sich nicht jeder für die Arbeit seines Vaters und Großvaters, doch in meiner Familie sind meine Brüder und ich mehr oder weniger auf dem gleichen Gebiet geblieben. Ihr Einfluss war, glaube ich, sehr wichtig für meine Arbeit. Für mich ist der Prozess, wie man etwas tut, sehr wichtig; ich mag konstruktives Denken. Das hat viel mit den frühen Erfahrungen in meiner Kindheit zu tun, wo ich mit ansah, wie Gebäude entstehen. All diese Vorstellungen versuche ich meinen Studierenden zu vermitteln, weil Architekten viel mit praktischen Dingen zu tun haben: Wir sind Baumeister, wir arbeiten mit dem Handwerk, wir arbeiten mit den Händen.

Warum sind Holzbauten in den letzten zehn Jahren so beliebt geworden?

Das hat meiner Ansicht nach verschiedene Gründe. Einer ist, dass wir in der Gesellschaft nach nachhaltigeren Dingen suchen und folglich danach, wie wir unsere Häuser nachhaltiger bauen können. Daher stellt sich die Frage: mit welchen Ressourcen? Wir stehen momentan vor einem Ressourcen- und nicht nur vor einem Energieproblem. Dies zwingt uns, über Alternativen nachzudenken. Holz ist daher als Baustoff der Zukunft die erste Wahl. Zugleich suchen die Menschen für meine Begriffe nach einer gesünderen Umwelt und vielleicht einer natürlicheren Umgebung. In diesem Zusammenhang ist Holz ein Versprechen. Es bietet eine echte Alternative zum klassischen Bauprozess. Holzkonstruktionen und Vorfertigung liegen nah beieinander, und ein großer Vorteil der Vorfertigung liegt in der hohen Qualität von Fertigbauten. Mit ihnen kann man schneller und qualitativ hochwertiger bauen und außerdem Naturkatastrophen vorbeugen.

Wäre es möglich, sich für einen Holzbau zu entscheiden, selbst wenn kein Holz vor Ort vorhanden ist?

Es macht, denke ich, keinen Sinn, überall auf der Welt mit Holz zu bauen. Holz ist ein weitverbreitetes Material, das über einige Entfernung transportiert werden kann, aber das gilt nicht unbegrenzt. Und es muss auch in Bezug auf verschiedene Klimazonen sinnvoll sein. Es gibt Klimaregionen, wo es unter Umständen keinen Sinn macht, Holzhäuser zu bauen, aber es gibt viele Regionen mit einem guten Klima für Holz. Wir müssen sehr vorsichtig sein, wo wir welches Material verwenden. Gleichzeitig kann es sinnvoller sein, Holz in Ländern zu importieren, wo weniger Ressourcen vorhanden sind, da andere Materialien wie etwa Beton ebenfalls transportiert und außerdem zu hohen Energiekosten produziert werden müssen. Das ist auch ökologisch sinnvoller.

Welches Potenzial bietet Bauholz?

Mit Holz kann man fast alles bauen. Momentan sind wir dabei zu zeigen, was tatsächlich möglich ist, und wir reizen die Möglichkeiten immer weiter aus. Normale Bauten, Amtsgebäude, Schulen, Fabriken, Wohnhäuser, auch Hochhäuser sind bis zu einer gewissen Höhe möglich. Es gibt Grenzen, aber an denen sind wir momentan noch nicht angelangt. In Österreich gibt es dieses Sprichwort: „Es ist noch Luft nach oben.“

Wie sieht Ihrer Ansicht nach die Zukunft von Holz aus?

Ich kann nicht sagen, was in Zukunft passieren wird; momentan gibt es so viele Möglichkeiten. Wir haben so vieles erfunden, dass wir diese Erfindungen nun nutzen müssen, anstatt weitere zu erfinden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Holz in Kombination mit anderen Materialien zu verwenden, weil es leichter als andere Technologien ist und sich perfekt für Renovierungen oder Neugestaltungen eignet. Wir sprechen über die Rückkehr von Holz in die Stadt, wie es einst der Fall war: In mittelalterlichen Städten gab es zahlreiche Holzgebäude, die dann verschwanden und heute aufgrund der Nachverdichtung von Städten zurückkehren. Der Vorteil ist, dass Holz für Anbauten und Neubauten sehr schnell und sehr leicht ist. Darin liegt meiner Ansicht nach die Chance für Holz in der Zukunft.

Warum haben Sie sich für den Beruf des Architekten entschieden?

Ich habe mich sehr früh für den Beruf des Architekten entschieden. Mein Onkel war ebenfalls Architekt, und ich habe ihm beim Arbeiten zugesehen und gesehen, wie viel er gearbeitet hat. Und ich habe mir gesagt: „So viel will ich nicht arbeiten.“ Aber mein Onkel sagte: „Das ist in Ordnung, das ist deine Entscheidung, du kannst es auch anders machen.“ Ich habe ihm geglaubt. Heute weiß ich, dass Architekten immer sehr hart arbeiten. Aber die Art und Weise, wie sie arbeiten, macht den Unterschied.
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